E-Commerce im Islam: Drei wichtige Fragen zur Geschäftspraxis

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Die Fragen: E-Commerce im Islam: Drei wichtige Fragen zur Geschäftspraxis


Ein Leser stellt drei dringende Fragen zur islamischen Bewertung gängiger E-Commerce-Praktiken:

1. Follower kaufen für Seriosität

Ist es erlaubt, Instagram-Follower zu kaufen, um als Business-Account seriöser zu wirken und Kunden nicht durch geringe Follower-Zahlen abzuschrecken – nicht um Ruhm zu erlangen, sondern um wettbewerbsfähig zu bleiben?

2. Fake-Bewertungen schreiben

Dürfen gefälschte Kundenbewertungen im Online-Shop erstellt werden, um potenzielle Käufer nicht durch fehlende Rezensionen zu verlieren?

3. Kooperation mit nicht-praktizierender Influencerin

Ist Werbung mit einer Influencerin erlaubt, die sich nicht islamisch bedeckt? Gilt das auch, wenn sie im Werbevideo selbst nicht zu sehen ist, Kunden aber über das Video zu ihrem Account mit problematischen Inhalten gelangen können?

Antwort:


Grundlage: Verbot von Täuschung im Handel


Der Prophet ﷺ sagte: „Wer uns täuscht, gehört nicht zu uns” (man ġaššanā fa‑laysa minnā). Dieser Ḥadīṯ ist eindeutig und bildet in allen vier Rechtsschulen die Basis für das Verbot von Täuschung im Handel. In gleicher Linie steht das Verbot von naǧš (künstliches Aufbieten/Anpreisen, um Dritte zu blenden). Beide sind in den kanonischen Sammlungen belegt.

Arabisch:

«لَا تَنَاجَشُوا»

(In einer anderen Überlieferung: «نَهَى رَسُولُ اللَّهِ صلى الله عليه وسلم عَنِ النَّجْشِ»)

„Betreibt kein naǧš” bzw. „Der Gesandte Allahs ﷺ verbot naǧš“.

Überliefert bei al-Buḫārī und Muslim von Ibn ʿUmar

Erklärung:

Naǧš  bezeichnet das künstliche Hochtreiben eines Preises oder das vorgetäuschte Interesse an einer Ware, um andere Käufer zu täuschen und zum Kauf zu verleiten – etwa indem jemand bei einer Auktion mitbietet, ohne wirklich kaufen zu wollen, oder einen Artikel übermäßig anpreist, um falsche Nachfrage zu erzeugen.

Diese Verbote werden in den Fiqh‑Kapiteln zu Handelsethik systematisch entfaltet: als ġišš (Betrug/Täuschung), tadlīs (Irreführung durch Verschweigen oder Schein‑Qualität) und *ġarar* (intransparente, für die Gegenseite unzumutbare Ungewissheit). Die modernen Fiqh‑Enzyklopädien fassen das als allgemeines Verbot täuschender Geschäftspraktiken zusammen.

Zu den Details:


1. Follower kaufen zur Erzeugung von Social Proof

Bei der Bewertung ist entscheidend, ob eine außenwirksame Kennziffer (Follower‑Zahl) so dargestellt wird, dass beim Durchschnittskunden ein falscher Eindruck über tatsächliche Reichweite/Vertrauen entsteht. Werden Follower durch Bots, Klickfarmen oder Schein‑Konten erzeugt, liegt *ġišš*/*tadlīs* vor: Ein reputationsbildendes Merkmal wird simuliert, obwohl die behauptete soziale Akzeptanz tatsächlich nicht besteht. Das fällt als modernes Analogon klar unter das Verbot von Täuschung und unter naǧš‑Arten (künstliches Anpreisen), auch wenn die Absicht nicht „Prestige”, sondern „nicht abgehängt wirken” ist – denn erlaubte Ziele heiligen keine verbotenen Mittel (al‑umūr bi‑maqāṣidihā gilt nicht zur Legitimierung eines ḥarām‑Mittels). Die hanbalitische Literatur verbietet ausdrücklich jede Handelspraxis, die den Vertragspartner über eine wertbildende Eigenschaft in die Irre führt. Die Literatur behandelt tadlīs als Mangel mit Rücktrittsrecht (*ḫiyār al‑ġabn/āl‑ġišš). Legitim ist hingegen bezahlte Reichweitenwerbung, die echte Nutzer erreicht (z. B. „promoted posts”), sofern transparent und ohne Irreführung.

2. Fake‑Kundenbewertungen schreiben, um mangelnde Reviews zu kompensieren

Gefälschte Bewertungen fallen kumulativ unter mehrere Verbotsgründe: tadlīs (Irreführung über Produktqualität), šahādat az‑zūr (falsches Zeugnis) und naǧš (künstliches Anpreisen, um Kaufentscheidungen zu manipulieren). Der Prophet ﷺ untersagte naǧš ausdrücklich; daraus leiten die Hanbaliten (wie die übrigen Schulen) das Verbot aller verkaufsfördernden Täuschungsinstrumente ab.

Erlaubt ist, echte Kunden aktiv um Bewertungen zu bitten, kostenlose Muster mit transparenter Offenlegung („Rezension gegen Produktprobe”) einzusetzen oder professionelle Tester gegen Honorar zu beauftragen, sofern (a) reale Nutzung stattfindet, (b) die Beziehung offengelegt wird und (c) kein Druck zu positiven Inhalten erfolgt.

3. Kooperation mit einer Influencerin, die sich nicht islamkonform bedeckt (Werbevideo, in dem sie selbst auftritt)

Bei dieser Frage scheint es für mich kollidierende Prämissen und Prinzipien zu geben. Ich kann dies daher aktuell nicht beantworten.

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