Fasten während der Schwangerschaft

Fasten während der Schwangerschaft aus islamischer und medizinischer Sicht

Fasten während der Schwangerschaft

Islamische und medizinische Perspektiven zum Ramadan-Fasten für werdende Mütter

Religiöse Perspektive: Islamische Regelungen fürs Fasten in der Schwangerschaft

Im Islam gilt das Fasten im Ramadan zwar grundsätzlich für jeden gesunden erwachsenen Muslim, doch Schwangere fallen unter die Kategorie der Entschuldigungen wie Kranke oder Reisende. Das heißt, eine schwangere Frau darf das Fasten aussetzen, wenn sie befürchtet, dass das Fasten ihr selbst oder dem ungeborenen Kind schaden könnte. In der Praxis wird dies aus dem Koran und der Sunna abgeleitet.

Der Koran nennt in Sure 2, Vers 184 die Möglichkeit, bei großer Erschwernis das Fasten zu brechen und stattdessen einen Bedürftigen zu speisen:

﴿شَهْرُ رَمَضَانَ الَّذِي أُنْزِلَ فِيهِ الْقُرْآنُ هُدًى لِلنَّاسِ وَبَيِّنَاتٍ مِنَ الْهُدَى وَالْفُرْقَانِ فَمَنْ شَهِدَ مِنْكُمُ الشَّهْرَ فَلْيَصُمْهُ وَمَنْ كَانَ مَرِيضًا أَوْ عَلَى سَفَرٍ فَعِدَّةٌ مِنْ أَيَّامٍ أُخَرَ يُرِيدُ اللَّهُ بِكُمُ الْيُسْرَ وَلَا يُرِيدُ بِكُمُ الْعُسْرَ وَلِتُكْمِلُوا الْعِدَّةَ وَلِتُكَبِّرُوا اللَّهَ عَلَى مَا هَدَاكُمْ وَلَعَلَّكُمْ تَشْكُرُونَ (185)﴾ [البقرة: 185]
قال ابن عباس رضي الله عنهما في قوله تعالى ( وعلى الذين يطيقونه فدية طعام مسكين ) : " كانت رخصة للشيخ الكبير والمرأة الكبيرة وهما يطيقان الصيام ، يفطران ويطعمان عن كل يوم مسكينا ، والمرضع والحبلى إذا خافتا على أولادهما أفطرتا وأطعمتا "

Ibn ʿAbbās – möge Allāh mit beiden zufrieden sein – sagte zu dem Wort des Erhabenen „… und denen, die (das Fasten) zu leisten vermögen, ist eine Ersatzleistung auferlegt: die Speisung eines Bedürftigen" (al-Baqara 2:184):

„Dies war eine Erleichterung für den betagten Mann und die betagte Frau, die zwar noch imstande wären zu fasten, es jedoch unterlassen und dafür an jedem Tag einen Bedürftigen speisen. Und ebenso gilt dies für die Stillende (al-murḍiʿ) und die Schwangere (al-ḥublā), wenn sie um ihre Kinder fürchten. Auch sie brechen das Fasten und Speisen (für jeden versäumten Tag) einen Bedürftigen."

Überliefert von Abū Dāwūd

Diese Quellen verdeutlichen, dass Schwangere vom Fastengebot ausgenommen sind, insbesondere wenn gesundheitliche Risiken bestehen.

Pflicht oder Wahl?

Die islamische Lehre gestattet nicht nur das Fernbleiben vom Fasten, sondern kann es unter Umständen sogar vorschreiben. Die Gelehrten unterscheiden je nach Situation der Schwangeren:

  • Wenn das Fasten zwar anstrengend ist, aber voraussichtlich keinen gesundheitlichen Schaden verursacht, ist es erlaubt, nicht zu fasten (aber nicht zwingend – die Frau darf fasten, wenn sie sich dazu in der Lage fühlt).
  • Wenn jedoch sicherer Schaden für die Gesundheit der Mutter oder des Kindes besteht, gilt es als verpflichtend, das Fasten zu brechen.
  • Umgekehrt ist es einer Schwangeren nicht erlaubt, ohne Grund das Fasten auszusetzen, wenn es ihr keine nennenswerte Beschwernis bereitet.

Mit anderen Worten: Bestehen kein Unwohlsein und kein Risiko, soll sie wie gewohnt fasten; bei erheblicher Belastung oder Risiko soll sie von der erlaubten Ausnahme Gebrauch machen und die Fastentage aussetzen.

Unterschiede der Rechtsschulen

Alle vier sunnitischen Rechtsschulen stimmen darin überein, dass schwangere Frauen das Fasten im Ramadan bei Notwendigkeit unterbrechen dürfen. Unterschiede zeigen sich jedoch in der Frage, wie die versäumten Fastentage nachzuholen oder auszugleichen sind.

Nach Meinung aller vier Rechtsschulen werden Schwangere ähnlich behandelt wie Kranke: Sie holen die nicht gefasteten Tage später nach (sobald sie dazu fähig sind). Müssen sie dazu noch Sühneleistung entrichten? Hierin unterscheiden sich die Rechtsschulen:

  1. Sie müssen keine zusätzliche Sühneleistung entrichten. So halten es z.B. die hanafitische und malikitische Rechtsschule – hier ist lediglich Qada' (Nachholen der Fastentage) vorgeschrieben, ohne Zahlung einer „Fidya" (Ersatzleistung).
  2. Die schafiitische und hanbalitische Schule differenzieren: War der Grund des Fastenbrechens hauptsächlich die Sorge um das Wohl des ungeborenen Kindes (während die Mutter sich selbst eigentlich fähig fühlte), dann soll die Frau sowohl nachfasten als auch pro Tag einen Armen speisen. Dieses zusätzliche Füttern armer Menschen geht auf Überlieferungen von Gefährten wie Ibn ʿAbbās zurück. Für den Fall, dass die Schwangere primär eigene gesundheitliche Probleme fürchtete, sehen jedoch auch Schafiiten und Hanbaliten nur das Nachholen vor (analog zum Krankheitsfall).

Zusammengefasst: Nachholen der Fastentage gilt in allen Rechtsschulen als der normale Weg, um versäumte Ramadan-Tage zu kompensieren. Die Fidya (Speisung Bedürftiger) kommt nach einigen Madhahib zusätzlich oder nur in Sonderfällen zum Tragen.

Zwischenfazit:

Für eine schwangere Muslimin bedeutet dies: Sie ist nicht verpflichtet zu fasten, wenn dadurch eine Gefährdung entstehen könnte, und die Religion bietet explizite Erleichterungen.

Die Frau sollte kein schlechtes Gewissen haben, das Fasten zu unterbrechen, wenn sie sich schwach fühlt oder ein Arzt ihr dazu rät, denn das Wohl von Mutter und Kind hat Vorrang und das Fasten kann ohne Sünde nachgeholt werden. Alle Rechtsschulen legitimieren dieses Aussetzen; lediglich die Modalitäten der Nachholung unterscheiden sich leicht.

Medizinische Perspektive: Auswirkungen des Fastens im 6. Monat

Allgemeiner Gesundheitszustand

Medizinisch betrachtet ist das zweite Trimester in der Regel stabiler als das erste. Im ersten Trimester – wenn die Organbildung des Embryos stattfindet – raten Ärzte klar vom Fasten ab, da Unterversorgung mit Nährstoffen oder Unterzuckerung in dieser sensiblen Phase das Fehlgeburtsrisiko erhöhen oder das gesunde Wachstum des Embryos beeinträchtigen könnten.

Studien deuten darauf hin, dass strenges Fasten ganz zu Beginn der Schwangerschaft mit erhöhten Risiken (wie Fehlgeburt, geringeres Geburtsgewicht, Wachstumsverzögerungen) einhergehen kann. Ab dem zweiten Trimester scheint der mütterliche Körper jedoch anpassungsfähiger: Bei einer gesunden Schwangeren ohne Vorerkrankungen haben die meisten klinischen Untersuchungen keine schädlichen Auswirkungen des Ramadan-Fastens auf die Gesundheit der Mutter oder die Entwicklung des Fötus feststellen können.

Insbesondere fanden mehrere Studien keine signifikanten Unterschiede bei Geburtsgewicht des Kindes oder der Frühgeburtenrate zwischen fastenden und nicht-fastenden Schwangeren. Mit anderen Worten: Im sechsten Monat (mittlere Schwangerschaft) führt Fasten meist nicht zu messbaren Nachteilen für das Baby, solange die Schwangerschaft unkompliziert verläuft und die Mutter ansonsten gesund ist.

Mögliche Belastungen

Obwohl gröbere negative Effekte auf Mutter und Kind im zweiten Trimester selten sind, bedeutet das Fasten dennoch eine körperliche Stresssituation. Durch den Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit über viele Stunden können Schwangere schneller unter Erschöpfung, Schwindel oder Austrocknung leiden.

Solange die Frau aber zu den Essenszeiten (Iftar und Suhoor) ausreichend Kalorien und Flüssigkeit zu sich nimmt, bleibt diese reduzierte Gewichtszunahme in einem vertretbaren Rahmen.

Wichtig ist, dass die Schwangere Warnsignale des Körpers ernst nimmt: Zum Beispiel können dunkler Urin, starke Schwächegefühle, Kopfschmerzen oder Schwindel auf Flüssigkeitsmangel hindeuten und sollten nicht ignoriert werden. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass auch die Durchblutung der Plazenta leidet. Ein Flüssigkeitsmangel kann zudem die Fruchtwassermenge vorübergehend etwas reduzieren, was in Untersuchungen während des Fastens festgestellt wurde.

Außerdem kann niedriger Blutzucker zu Unwohlsein oder sogar Ohnmacht führen. Kurzfristig passt sich der Körper meist an: er schaltet z.B. auf Ketonkörper als Energielieferant um, und viele Frauen berichten, dass sie das Fasten im zweiten Trimester relativ gut vertragen.

Generell gilt: Je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten ist, desto höher ist der Energie- und Nährstoffbedarf. Ab dem dritten Trimester benötigt die Frau etwa 200 Kalorien pro Tag zusätzlich, und auch das Blutvolumen und der Flüssigkeitsbedarf sind erhöht. Daher kann anhaltendes Fasten gegen Ende der Schwangerschaft belastender sein als in der Mitte der Schwangerschaft.

Individuelle Faktoren und medizinische Empfehlungen

Ein ganz wichtiger Aspekt ist die individuelle Gesundheitssituation der Schwangeren. Bestehen Vorerkrankungen oder Schwangerschaftskomplikationen, ändert sich die Risikoabwägung deutlich. Frauen mit Blutarmut (Anämie), Schilddrüsenerkrankungen oder Schwangerschaftsdiabetes tragen bereits ohne Fasten eine höhere Belastung.

Für sie kann es besonders riskant sein zu fasten, da z.B. bei Diabetes der Blutzuckerspiegel stark schwanken kann oder bei Anämie die Sauerstoffversorgung ohnehin eingeschränkt ist. Medizinische Fachverbände empfehlen, dass Schwangere mit chronischen Erkrankungen oder komplikationsreicher Schwangerschaft vor Ramadan zwingend Rücksprache mit ihrem Arzt halten und gemeinsam einschätzen, wie hoch ihr individuelles Risiko ist.

Gegebenenfalls sollte in diesen Fällen ausdrücklich vom Fasten abgeraten werden – bei sehr hohem Risiko vollständig verzichten, bei moderatem Risiko zumindest nicht durchgehend fasten.

Zwischenfazit (Medizin):

Die medizinische Empfehlung lautet daher, sorgfältig abzuwägen: Sobald Anzeichen von Überlastung auftreten oder Risiken (wie Grunderkrankungen) bestehen, sollte lieber auf das Fasten verzichtet werden.

Empfehlungen für die Praxis (Fasten oder Alternative?)

Die British Islamic Medical Association empfiehlt gesunden Schwangeren im 2./3. Trimester beispielsweise, nicht streng jeden Tag zu fasten, sondern bei Überanstrengung Pausen einzulegen.

Richtiges Verhalten an Fastentagen

Wenn gefastet wird, sollte die Schwangere ein paar zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen beachten:

  • Ausreichend Ruhe einplanen – körperliche Anstrengung minimieren, gegebenenfalls Mittagsruhe halten, da weniger Energie zur Verfügung steht.
  • Genug trinken und nahrhaft essen während der erlaubten Zeiten (Suhoor vor der Morgendämmerung und Iftar nach Sonnenuntergang) ist essenziell. Sie sollte viel Flüssigkeit und elektrolytreiche Getränke zu sich nehmen, um einer Austrocknung vorzubeugen.
  • Ausgewogene Ernährung mit langanhaltend sättigenden Lebensmitteln (Ballaststoffe, Proteine) und reichlich Vitaminen/Mineralstoffen. Auf koffeinhaltige Getränke (entziehen dem Körper Wasser) und sehr zuckerhaltige Speisen (verursachen Blutzuckerschwankungen) sollte man lieber verzichten.
  • Besondere Vorsicht im letzten Trimester (auch wenn das im 6. Monat noch nicht voll erreicht ist) ist geboten, da der Kalorienbedarf erhöht ist und der Körper anfälliger für Unterzucker ist.
  • Kindsbewegungen beobachten – die Schwangere sollte die Bewegungen des Babys im Auge behalten – spürt sie das Kind wie gewohnt?
  • Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen – reguläre Vorsorgeuntersuchungen sollten auch während Ramadan eingehalten werden, um die Gesundheit von Mutter und Kind zu überwachen.

Wenn nicht gefastet wird

Entscheidet sich die Schwangere gegen das Fasten, so sollte sie wissen, dass dies sowohl religiös erlaubt als auch medizinisch oft angeraten ist. Sie braucht kein schlechtes Gewissen zu haben, denn sie handelt im Sinne der islamischen Erleichterungen (Ruḥsa). Die verpassten Fastentage kann sie – sobald sie wieder die Kraft dazu hat – nachholen.

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Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine individuelle medizinische oder religiöse Beratung.