Islamischer Aktienhandel: Grundlagen & Regeln nach der Scharia

Der Handel mit Aktien aus islamischer Perspektive

Der Handel mit Aktien

Definition

Eine Aktie ist ein Anteilsschein, der eine Beteiligung am Eigenkapital eines Unternehmens verbrieft. Der Aktieninhaber wird damit Miteigentümer des Unternehmens und erhält entsprechende Rechte und Pflichten.

Islamrechtliche Qualifizierung (Klassifizierung)

"Islamrechtliche Qualifizierung" ist ein Prozess, bei dem ein neuer Sachverhalt in das bestehende System des islamischen Rechts eingeordnet wird. Im islamischen Kontext wird eine Aktie als eine moderne Form der Musharaka (Partnerschaft) betrachtet. Der Aktionär wird als Sharik (Partner) gesehen, der sowohl am Gewinn als auch am Verlust des Unternehmens beteiligt ist, was dem islamischen Prinzip der Gewinn- und Verlustteilung entspricht.

Arten von Aktien

Für die rechtliche Bestimmung ist es wichtig, die verschiedenen Arten der Aktien darzulegen. Aktien können nach verschiedenen Kriterien eingeteilt werden, wobei besonders zwei Kriterien relevant sind:

1. Nach gewährten Rechten:

  • Stammaktien: Das sind die normalen Aktien, die alle im Wert und Rechten gleich sind.
  • Vorzugsaktien: Gewähren besondere Rechte. Diese können:
    • Finanzielle Vorteile sein wie: Garantie des Kapitals, garantierter Gewinnanteil, Vorrang bei der Liquidation oder bei der Gewinnausschüttung.
    • Verwaltungstechnische oder administrative Vorteile.

2. Nach Rückzahlungsmöglichkeiten:

  • Kapitalaktien: Eine Kapitalaktie ist ein Wertpapier, das einen dauerhaften Anteil am Grundkapital einer Aktiengesellschaft verbrieft. Sie gewährt dem Inhaber Mitgliedschaftsrechte und kann nur durch Verkauf an der Börse oder an Dritte wieder in Geld umgewandelt werden.
  • Genussaktien: Eine Genussaktie ist ein Wertpapier, bei dem die Gesellschaft sich verpflichtet, den investierten Betrag zu einem festgelegten Zeitpunkt zurückzuzahlen. Der Inhaber behält dabei die Mitgliedschaftsrechte wie Gewinnbeteiligung und Stimmrecht in der Hauptversammlung, auch nach der Rückzahlung des Kapitals.

Islamische Regeln für den Aktienhandel

Für den islamkonformen Handel mit Aktien müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

Grundlegende Voraussetzungen:

  1. Der Tätigkeitsrahmen der Firma muss rechtmäßig und legitim sein, das bedeutet, sie muss in erlaubten Geschäftsfeldern tätig sein. Darüber hinaus müssen die Finanzen der Firma sauber sein. Wenn die Firma ihre Gelder für Zinsen anlegt, die in ihre Ressourcen und Gewinne einfließen, oder Kredite gegen Zins aufnimmt, ist dies grundsätzlich nicht erlaubt..
  2. Die Aktien müssen von einem bei den Menschen bekannten und anerkannten Unternehmen stammen, dessen Geschäftspraktiken und Integrität klar ersichtlich sind. Daher ist der Handel mit Aktien-Portfolios von Aktiengesellschaften, wie es im Westen üblich ist, nicht erlaubt, wenn der Käufer die wahre Natur dieser Unternehmen nicht kennt.
  3. Der Handel darf keine islamrechtlich verbotenen Elemente beinhalten wie z.B. Riba (Zins), Jahala (Unwissenheit) und unrechtmäßige Aneignung fremden Vermögens. Daher ist es einem Muslim nicht erlaubt, Vorzugsaktien zu akzeptieren, die ihm ein Recht auf einen festen Gewinn geben, unabhängig davon, ob das Unternehmen Gewinn oder Verlust macht, da dies islamrechtlich verboten ist. Bei Vorzugsaktien bekommt man Dividenden, ob die Firma Gewinn macht oder nicht. Macht die Firma zu, bekommt man vorrangig das Geld zurück. Das ist wie ein „versteckter Zins", denn es ist Gewinn ohne Geschäftsrisiko.
  4. Ebenso ist es einem Muslim nicht erlaubt, Genussaktien zu akzeptieren, die ihrem Besitzer ein Recht auf Gewinnbeteiligung geben, ohne dass er Partner am Kapital und der Arbeit ist, da dies eine unrechtmäßige Aneignung fremden Vermögens darstellt. Bei Genussaktien bekommt der Aktionär sein ursprüngliches Investment zurück, bleibt aber Partner im Gewinn und Mitspracherecht. Es handelt sich also auch hier um eine Art Zins, denn man bekommt sein Investment wieder zurück und erhält trotzdem weiterhin Gewinne. Firmen nutzen dies oft zur Kapitalverringerung und Liquiditätsmanagement.

Ausnahmen und Sonderregelungen:

Einige Gelehrte haben Ausnahmen für den Handel mit Aktien von Versorgungsunternehmen gestattet, auch wenn diese teilweise mit Zins arbeiten. Scheich Mustafa Ahmad Al-Zarqa und seine Kollegen in der Scharia-Aufsichtsbehörde der Al-Rajhi Banking Corporation in Saudi-Arabien haben diese Ausnahme für den Handel mit Aktien von Versorgungsunternehmen (wie Strom- und Telekommunikationsunternehmen) erlaubt. In der Fatwa heißt es:

"Man sollte den Menschen weder den Erwerb dieser Unternehmensaktien vollständig verbieten noch uneingeschränkt erlauben. Vielmehr muss die Notwendigkeit dieser Institutionen in der Gesellschaft, einschließlich muslimischer Gesellschaften, berücksichtigt werden. Viele Menschen, besonders solche mit kleinen Ersparnissen, finden keine andere Möglichkeit ihre Ersparnisse zu investieren, ohne dass diese aufgezehrt werden. Gleichzeitig muss der verbotene Anteil aus den Aktiengewinnen ausgesondert werden..."Dies geschieht, indem der Aktienbesitzer genau oder näherungsweise berechnet, welcher Anteil der Erträge jeder Aktie aus verbotenen Elementen stammt. Dieser Betrag muss dann:

  • Identifiziert und berechnet werden
  • An Bedürftige gespendet werden
  • Nicht für persönliche Zwecke verwendet werden
  • Nicht als Zakat angerechnet werden
  • Nicht für Steuerzahlungen verwendet werden
Die Berechnung dieses Anteils ist heute durch moderne Technologie und Expertenrat relativ einfach geworden. Dies fällt unter die allgemeine Notwendigkeit und erleichtert es den Menschen, ohne sie von einer Investitionsmöglichkeit auszuschließen, für die sie aufgrund ihrer geringen Ersparnisse keine Alternative haben."

- Scheich Mustafa Ahmad Al-Zarqa

Verbote im Aktienhandel:

  • Riba (Zins)
  • Gharar (vermeidbare Ungewissheit)
  • Unrechtmäßige Vermögensaneignung

Nicht erlaubte Aktienarten:

  • Vorzugsaktien, die garantierte Gewinne bieten, da dies eine Form des Zinses darstellt.
  • Genussaktien, die Gewinnanteile ohne tatsächliche Beteiligung erlauben, da auch dies als Form des verzinslichen Geschäfts angesehen wird.

Fazit

Der Handel mit Aktien ist aus islamischer Sicht grundsätzlich erlaubt, solange die genannten Bedingungen erfüllt sind und die Verbote beachtet werden. Besondere Vorsicht ist bei der Auswahl der Unternehmen und der Art der Aktien geboten. Im Zweifelsfall immer fragen.