Beten hinter einem Fasiq oder Neuerungsträger

Beten hinter einem Fasiq oder Neuerungsträger

Inhaltsverzeichnis

Die Position der Hanbali-Rechtsschule – nuancierter betrachtet

Während im ersten Eindruck die hanbalitische Schule oft als besonders streng in Bezug auf das Gebet hinter einem Fasiq oder Mubtadi’ wahrgenommen wird, zeigen die Quellen ein wesentlich differenzierteres Bild:

Ibn Taymiyya zur Position von Imam Ahmad

Von Ibn Taymiyya wurde präzisiert: “Die Überlieferungen von Aḥmad [ibn Ḥanbal] bezüglich des Gebets hinter einem Neuerer (Mubtadiʿ), der nicht für ungläubig erklärt wurde, sind unterschiedlich. Es wird von ihm überliefert, dass man nicht hinter ihm beten soll, dies bezieht sich jedoch auf den Neuerer, der seine Neuerung öffentlich verkündet und zu ihr aufruft. Was hingegen den Neuerer betrifft, der nicht zu seiner Neuerung aufruft, so darf man hinter ihm beten; er [Aḥmad] hat dies ausdrücklich festgelegt.”

Diese wichtige Differenzierung zeigt, dass selbst Imam Ahmad zwischen verschiedenen Arten von Mubtadi’in unterschied:

  1. Diejenigen, die ihre Neuerung öffentlich propagieren und dazu aufrufen (hinter denen das Gebet vermieden werden soll) Diejenigen, die zwar abweichende Ansichten haben, aber nicht aktiv dazu aufrufen (hinter denen das Gebet erlaubt ist)
  2. Besonders bedeutsam ist auch seine Position zum fest angestellten Imam (al-imām ar-rātib): “Von ihm wird auch bezüglich des fest angestellten Imams (al-imām ar-rātib) aus den Reihen der Neuerer überliefert: Man darf hinter ihm beten. Er sagte in der Überlieferung von Abū Ṭālib: ‘Ich hoffe, dass es keine Probleme gibt’, womit er meint, dass der für die Moschee zuständige Imam nicht verlassen oder ersetzt werden kann.”

Ibn Taymiyya zur praktischen Notwendigkeit

Noch deutlicher wird die Berücksichtigung praktischer Realitäten in diesem Zitat: “Wenn es in einem Dorf nur einen Imam gibt, und dieser praktiziert eine Neuerung (Bidʿa), die ihn nicht zu einem Ungläubigen macht, so ist es nach Ansicht der meisten Anhänger der Sunna, darunter Aḥmad [ibn Ḥanbal] und die übrigen Imame, erlaubt, das Freitagsgebet und das Festgebet hinter ihm zu verrichten. Der Grund dafür ist, dass es nicht möglich ist, diese Gebete ohne ihn zu verrichten, und das Unterlassen des Freitags- und Gemeinschaftsgebets wiegt schwerer als die Gefolgschaft hinter jemandem, der eine nicht zum Unglauben führende Neuerung praktiziert.”

Ibn Qudama zur hanbalitischen Position

“Was diejenigen betrifft, die in den Nebenfragen [des Glaubens] abweichen, wie die Anhänger von Abū Ḥanīfa, Mālik und aš-Šāfiʿī, so ist das Gebet hinter ihnen gültig und nicht verpönt. Ahmad hat dies ausdrücklich festgelegt, weil die Gefährten, die Nachfolger und diejenigen nach ihnen nie aufgehört haben, einander im Gebet zu folgen, trotz ihrer Unterschiede in den Nebenfragen, was somit einen Konsens darstellt.”

Bemerkenswert ist auch, dass selbst Imam Ahmad an Gebeten teilnahm, die von Mu’taziliten geleitet wurden, obwohl er deren theologische Positionen ablehnte, wie Ibn Qudama feststellt: “Was die Freitags- und Festgebete betrifft, so werden sie hinter jedem rechtschaffenen oder sündigen Menschen verrichtet. Ahmad pflegte, an ihnen mit den Muʿtaziliten teilzunehmen, ebenso wie die Gelehrten seiner Zeit.”

Wichtige Differenzierung zum Begriff des Fisq

Unter Berücksichtigung der zuvor erwähnten Punkte und der nun angeführten Quellen:

Definition von Fisq im Kontext von religiösen Fragen:

Die Texte bestätigen, dass Fisq nicht jede Abweichung umfasst, sondern differenziert betrachtet werden muss. Ibn Qudama erwähnt ausdrücklich, dass diejenigen, die in Furu’ (Nebenfragen) abweichen, nicht gemieden werden sollen – das Gebet hinter ihnen ist gültig und nicht einmal makruh.

Realität der meisten Moschee-Imame:

Die besondere Berücksichtigung des “Imam ratib” (fest angestellter Imam) durch Ahmad ibn Hanbal selbst zeigt, dass die praktische Realität ein wichtiger Faktor in der Beurteilung ist. Zur Frage des Lernens und Betens in deiner Situation

Angesichts dieser differenzierten Darstellungen ergeben sich für deine Situation in Landshut folgende Schlussfolgerungen:

  • Zum Gebet hinter den lokalen Imamen: Wenn ihre Abweichungen im Bereich des legitimen Ikhtilaf (anerkannte Meinungsverschiedenheiten) liegen, ist das Gebet hinter ihnen nach expliziter Aussage von Imam Ahmad und aller Gelehrten gültig.
  • Selbst wenn sie Ansichten vertreten, die als Bid’a gelten könnten, aber nicht zum Kufr führen und sie nicht aktiv dazu aufrufen, wäre das Gebet hinter ihnen nach den zitierten Aussagen erlaubt.
  • Als fest angestellte Imame (a’imma ratiba) in einer Situation, wo keine Alternativen existieren, gilt zusätzlich die Ausnahmeregelung, die sowohl Imam Ahmad als auch Ibn Taymiyya anführen, die aber möglicherweise nicht der offizielle Madhhab sind.

Zum Lernen von diesen Imamen:

Wenn es sich um Wissen wie Quran-Rezitation und arabische Sprache handelt, ist dies umso mehr zulässig Die historische Praxis zeigt, dass selbst Hadithe von Personen überliefert wurden, deren Ansichten in manchen Fragen abwichen: “Ahmad [sagte]: Man darf hinter jemandem beten, der berauschende Getränke (Nabidh) [in nicht berauschenden Mengen] aufgrund einer [abweichenden] Interpretation trinkt; wir überliefern sogar Hadithe von ihnen.”

Praktische Ratschläge

Basierend auf diesen Quellen und unter Berücksichtigung deiner Situation:

Es ist islamrechtlich zulässig, hinter den Imamen in Landshut zu beten, besonders da es keine praktikable Alternative gibt und die Teilnahme an Gemeinschaftsgebeten ein wichtiges islamisches Prinzip ist.

Es ist ebenfalls zulässig, Quran und Arabisch von ihnen zu lernen, besonders wenn sie in diesen Bereichen kompetent sind. Vernünftige Vorsicht ist dennoch angebracht: Achte auf mögliche problematische Aussagen in Glaubensfragen.

Ergänzen dein Wissen durch Lektüre zuverlässiger Bücher oder Online-Ressourcen.

Abschließende Gedanken

Diese Quellentexte demonstrieren die Tiefe und Differenziertheit der islamischen Rechtslehre. Sie zeigen, dass selbst innerhalb der als streng geltenden hanbalitischen Position praktische Notwendigkeiten und die Realitäten des muslimischen Gemeindelebens berücksichtigt wurden.

Und Allah weiß es am besten (wa Allahu a’lam).